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Cia&Friends

Gewaltfreie Aktion: Besuch beim NATO Hauptquartier

Brüssel, Ostern 2008

Marsch zur Nato

Am Ostersamstag besuchten gegen 1’000 Friedensleute das NATO-Hauptquartier. Bericht einer eindrücklichen Aktion zivilen Ungehorsams.

Der Polizeihund hört aufs Kommando. Er beginnt zu schnappen. Ich greife nach der Leine an der er geführt wird. So kann ich seine Schnauze von meinem Körper weghalten. Der Polizist zerrt am Arm von Janet (60, Krankenschwester aus Birmingham, England). Sie fällt zu Boden. Ich erkläre dem Polizisten, dass er es hier mit einer älteren Frau zu tun hat. Der Polizist scheint zu verstehen, dass seine Reaktion nicht ideal war. Er steht ein oder zwei Sekunden lang still. Diesen Moment nutze ich und überquere ich mit Hilfe eines Teppichstückes die dreifach Stacheldraht-Rollen. Vier Personen meiner Bezugsgruppe sind bereits drüben. Jetzt steht der 3m hohe Zaun vor uns. Oben drüber ist der Rasierklingen-Stacheldraht gelegt; jener Stacheldraht der den Namen des Ortes, wo wir hin wollen trägt: NATO.

NATO verstösst gegen das Völkerrecht

In Bezugsgruppen von 5-10 Personen organisiert, sind heute gegen 1000 Menschen bereit, das NATO-Hauptquartier einer zivilen Inspektion zu unterziehen und das Gebäude zu versiegeln. 350 US-Atombomben werden von der NATO in Europa beherbergt. Auch in Belgien, Deutschland und anderen Ländern, die offiziell als atombombenfrei gelten. Es handelt sich dabei nicht nur um einen illegalen Zustand, sondern um eine riesige Bedrohung der ganzen Welt. Das Völkerrecht verbietet die Verwendung oder Bereitstellung von Atombomben. Auf juristischem Weg konnten die Bomben noch nicht zum verschwinden gebracht werden. Politisch läuft nichts in diese Richtung. Nachdem Staaten, deren Politik und Justiz versagt haben, muss die Zivilgesellschaft die Ordnung herstellen. Hunderte Leute probieren heute, das NATO Hauptquartier zu schliessen.

Im Hauptquartier verhaftet

Lorenza, (41, Kindergärtnerin aus Trento, Norditalien), schafft es, mir die Strickleiter zuzuwerfen, bevor sie von einem Polizisten angehalten wird. Jean-Michel (40, Programmierer aus Paris), hilft mir auf den Zaun. Teppich obendrüber legen. Die Strickleiter mit den Holzsprossen in Position bringen, damit die anderen nachfolgen können. Drei Polizisten ziehen von der Innenseite des Zaunes an der Leiter wie Wölfe an einem Knochen. Das Seil reisst. Gelegenheit für mich, über den Zaun zu gelangen. Drei oder vier Männer, so genannte Sicherheitsleute, werfen sich auf mich, wie auf einen Rugyball. Als mir der unterste von ihnen das Knie in den Rücken drückt muss ich aufpassen, dass ich meine Brille nicht verliere. Mit dem Gesicht nach unten liege ich, mit Kabelbinder gefesselt auf dem Boden. Im Augenwinkel sehe ich, dass Laura, (26, Forstingenieurin ebenfalls aus Trento) auf dem Zaun sitzt. Kurz danach liegt auch sie gefesselt im nassen Gras.

Bevor ich weggeschleppt werde, sehe ich noch, wie sich ein Polizeihund mit Waden und Schienbein von Jean-Michel beschäftigt. Renate, (38, Konferenz-Dolmetscherin aus dem Kanton Glarus), hat geholfen, die Situation, etwas zu deeskalieren. Sie wurde jedoch weggebracht, bevor sich die Blauen Männer mit Hund auf Jean-Michel gestürzt haben.

Erst im Gefängnistrakt des so genannten „Palais de Justice“ wird mir bewusst, wie viele Menschen an diesem Anlass teilgenommen hatten: Über 500 Leute wurden verhaftet.

Drei Dinge haben mich bei dieser Aktion zivilen Ungehorsams besonders beeindruckt:

  1. Die Organisation der Belgischen Friedensgruppe „Vredesactie“ (Friedensaktion) war perfekt. Sie haben für 160 Leute aus 17 Ländern über Ostern während fünf Tagen Beherbergung, Essen, Aktionsmaterial, Kommunikationsmittel, Konferenzräume, Aktionstraining, Gewaltfreitraining, Medien-Unterstützung, uvm. zur Verfügung gestellt.

  2. Gegen 1’000 Leute haben eine Gewaltfrei-Erklärung unterzeichnet. Darin wurde festgehalten, dass es ihr Ziel sei, zur NATO zu gelangen, sie zu inspizieren und zu versiegeln. Dieses Ziel ist verbunden, mit der Verpflichtung, sich gewaltfrei (physisch und verbal) zu verhalten und zur Achtung aller Menschen (mit oder ohne Uniform).

  3. Am Ostersonntag und -Montag hat eine Friedenskonferenz stattgefunden. Diese Konferenz gab einen zusätzlichen Anreiz, nach Brüssel zu fahren und viele wichtige Informationen zur militärischen Globalisierung. Sie bot zusätzliche Möglichkeiten zur Vernetzung mit anderen Friedens-AktivistInnen.

Zum Schluss möchte ich empfehlen: Tragt euch den Termin Ostern 2009 fett in die Agenda ein. Für „NATO – game over“ in Brüssel oder für eine andere Friedensaktion.

 

von Michael Tanner (37), freischaffender Campaigner und Älpler, wohnt im Glarnerland).